5. AIDS - Dekonstruktion einer Seuche
Wie HIV und AIDS-Statistiken zustandekommen
© Jan-Philipp Hein und Michael Leitner
Eine „katastrophale Verbreitung“ der AIDS-Fälle sah Johanna L'age-Stehr 1985 auf die Bundesrepublik zukommen. Eine bedrohliche Grafik gab es zu der apokalyptischen Voraussage dazu. Mit einem Lineal sollte man eine Linie fortführen, um zu ermitteln, in welchem Jahr wie viele Bundesbürger an AIDS gestorben wären. Wären die Prophezeiungen der Professorin des Robert Koch Instituts (RKI) eingetreten, würde kein Deutscher diese Zeitung in der Hand halten, sie wäre nicht einmal gedruckt worden. Denn die Bundesrepublik wäre seit dem Jahre 1996 nicht mehr existent. Alle Deutschen wären gestorben.
Nicht nur das Fortbestehen der Bundesrepublik Deutschland, auch die aktuellen Zahlen des Arbeitgebers der Professorin machen deutlich, wie sehr sie sich irrte. So sind nach Statistiken des RKI bis Ende 1999 11.754 Menschen in Deutschland an dem Immunschwächesyndrom gestorben. Frau L'age-Stehr sah diesen Stand schon für das Jahr 1989 voraus.
Auch von einer Seuche, die ihre Risikogruppen, also Homosexuelle, Bluter und Drogenabhängige, verlässt, wie Forscher und AIDS-Hilfen in der Vergangenheit immer wieder voraussagten, kann in Industrienationen keine Rede sein. So tauchen in einer RKI-Tabelle insgesamt, seit Bestehen von AIDS 1112 AIDS-Fälle bei Heterosexuellen auf. Bei den Homo- und Bi-sexuellen sind es 11.825. Intravenös Drogenabhängige entwickelten in 2740 Fällen das Immunschwächesyndrom.
Zum Vergleich: Aus einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass an Herzinfarkten in Deutschland allein im Jahre 1998 81(988 Menschen verstarben. Das sind fast sieben Mal mehr Opfer in einem Jahr, als AIDS seit Beginn der "Epidemie" forderte. 22(482 Menschen starben im Jahre 1997 bei Unfällen. 180 Menschen starben damals mit der Diagnose AIDS.
Dennoch wird beispielsweise der Spiegel nicht müde, Schrecken über die Republik zu verbreiten. Titel wie „Das große Sterben - Aids rückt näher“ oder „AIDS - Paare in Gefahr?“ haben jedoch nicht viel mit den offiziellen Zahlen des Robert Koch Instituts zu tun.
Diese erstaunen wiederum, wenn man den Osten betrachtet. In den neuen Bundesländern scheint AIDS kein Problem zu sein. So gibt es in Thüringen auf eine Millionen Einwohner knapp sieben AIDS-Fälle. Es folgen Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. In diesen Bundesländern kommen auf eine Millionen Einwohner zwischen 8 und 19 AIDS-Fälle. Die wenigsten AIDS-Fälle in den alten Ländern hat Bayern. Doch dort sind es schon 100 auf eine Millionen Einwohner. Verblüffend ist auch der Unterschied der Hauptstadthälften. Im Ostteil Berlins kommen auf eine Millionen Einwohner 194 AIDS-Fälle, im Westen sind es 1616. Insgesamt stammen zwei Prozent aller AIDS-Fälle aus dem Osten, den Ost-Teil Berlins mit eingerechnet. Dazu Ulrich Marcus, Pressesprecher des RKI: „Da das Virus eine fünf bis 10-jährige Inkubationszeit hat, treten die AIDS-Fälle jetzt noch nicht auf.“ Allerdings habe in den letzten Jahren die Anzahl der HIV-Infektionen dramatisch zugenommen, so Marcus. Mit Zahlen konnte er das jedoch nicht belegen.
Auch zu Vorwendezeiten stand der Osten gut da. 1989 meldete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass es in der DDR vier AIDS-Kranke gegeben habe.
Woran liegt es, dass das HI-Virus sich nicht im Osten ausbreitet? Glaubte man 1989 dem Ost-Berliner AIDS-Experten und Dermatologen Nils Sönnichsen , lag es an einer wirkungsvollen Strategie der DDR.
Für die Zahlen aus 1997 hat man eine Erklärung: Christian Kollan vom RKI „Die Latenzzeit des Virus liegt bei zehn Jahren“, es sei also jetzt mit der Krankheitswelle zu rechnen. Doch jetzt gibt es noch keine Daten.
Eine andere Erklärung für diese Zahlen hat Heinrich Kremer. Der Mediziner und ehemalige ärztliche Direktor einer Drogenklinik, die von fünf Bundesländern getragen wurde, sagt: „Wäre AIDS eine Infektionskrankheit, hätte sie auch in die DDR einbrechen müssen.“ Schon lange vor der Wende habe es schließlich einen regen Sex-Tourismus von West-Berliner Schwulen nach Ost-Berlin gegeben. "Diese hätten, der Theorie nach, die Ost-Berliner Sexualpartner mit dem vermeintlich tödlichen ,AIDS-Virus' infizieren müssen." Die Verbreitung von AIDS hätte sich dem Westteil Berlins angleichen müssen.
Es ist nicht nur der Osten Deutschlands, der gesamte ehemalige Ostblock ist weitestgehend verschont. Das HIV scheint sich an ein Zitat aus dem Billy Wilder-Film "eins, zwei, drei" zu halten. "Moskau ist zum Weglaufen da, nicht zum Hinfahren!" Denn bis 1997 gab es in Russland, das 147 Millionen Einwohner hat, nach Zahlen der Weltgesundheitsorganisation 268 gemeldete AIDS-Fälle. Auch in Tschechien, einem Sex-Tourismus Land, kam die WHO auf gerade Mal 119 gemeldete AIDS-Fälle. Zum Vergleich: Allein der Stadtstaat Bremen hat 259 gemeldete AIDS-Fälle.
Auch Afrika müsse aus epidemiologischer Sicht anders betrachtet werden. Das fordert Christian Fiala. Der Wiener Arzt hat sich in seinem Buch „Lieben wir gefährlich“ mit dem angeblichen Seuchenherd Nummer eins auseinandergesetzt. Er ist auch in der vom südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki einberufen Expertenkommision zu AIDS dabei "In Afrika ist alles wie immer. Die Krankheiten die heute AIDS heißen, hatten vor der Entstehung von AIDS nur andere Namen, wie beispielsweise Tuberkulose, Malaria und Cholera." Es gebe in Afrika jetzt nicht mehr Kranke als vor AIDS.
AIDS wird in verschiedenen Regionen der Erde unterschiedlich charakterisiert und diagnostiziert. Die Diagnose von AIDS erfordert in Afrika noch nicht einmal einen Antikörpertest. Der Patient wird nach Augenschein als AIDS-Krank oder nicht AIDS-Krank eingestuft. Die Kriterien dafür wurden 1985 in Bangui, der Hauptstadt des Staates Zentralafrika festgelegt. Nach ihr reichen beispielsweise ein Gewichtsverlust von 10 Prozent binnen eines Monats, chronischer Durchfall, auch länger als ein Monat sowie beispielsweise trockener Husten aus, um als AIDS-Krank definiert zu werden. Dies Fiala für zynisch. "Man muss sich doch nur die Lebensbedingungen in Afrika vor Augen führen, um zu merken, dass man diese Symptome sehr leicht bekommen kann." Als Beispiele nennt der Österreicher verschmutztes Wasser oder verunreinigte Nahrung. Angeprangert wurde das 1996 auch in einem Bericht der WHO.
Auch die WHO-Zahlen über geschätzte und tatsächlich gemeldete Zahlen sind in Afrika erstaunlich. Südlich der Sahara stehen zehneinhalb Millionen geschätzten AIDS-Fällen im Jahre 1997 genau 645(676 gemeldete AIDS-Fällen entgegen.
Das Immunschwächesyndrom hat trotz des angeblichen gleiche Erregers HIV in Afrika einen anderen Ausbreitungsweg. AIDS wird beispielsweise in Deutschland zu fast 85 Prozent in den Riskogruppen, Homosexuellen, intravenös Drogensüchtigen und Blutern übertragen. Fast 90 Prozenbt aller AIDS-Fälle in Deutschland entfallen auf Männer.
Ganz anderes Bild südlich der Sahara. Bei Frauen und Männern wird dort etwa gleich häufig AIDS diagnostiziert. "Und da ist das Problem", so Christian Fiala. Es würde schließlich immer gesagt, dass AIDS ein Riesenproblem in Afrika sei. "Doch wenn ich dann mal die Frage stelle, was denn AIDS in Afrika sei, herrscht betretenes Schweigen."